Obwohl oder gerade weil wir in einer Zeit der Fülle und des Überflusses leben, ist bei vielen Menschen die Sehnsucht nach Einfachheit, Natürlichkeit und Althergebrachtem so groß wie nie zuvor. Gerade die immer noch hektischeren, lauteren und betriebsameren Tage vor Weihnachten, die wir oft nur mehr aus Liedern, Geschichten und Märchen als „stillste Zeit“ des Jahres kennen, lassen den Wunsch nach Ruhe, Rückzug und dem tieferen Sinn des Lebens wieder ganz laut werden.
Die letzten beiden Jahre waren ganz besonders! Viele von uns wurden langsamer und stiller, um die immer lauter werdenden Stimmen unserer Seelen wahrzunehmen. Durch den Rückzug in die eigenen viel Wände und das Fehlen der vorweihnachtlichen Punschtreffen und Weihnachtsfeiern haben wir besonders viel Zeit zum in uns gehen und reflektieren. „Die Klugen suchen in der Krise die Chancen und Möglichkeiten und nicht den Schuldigen“, ganz nach diesem Motto bieten sich auch heuer wieder die Raunächte ganz besonders zum Innehalten, Ankommen bei sich selbst und zum Neuausrichten für ein wahrhaftigeres Leben an.
Raunächte – Zeit für Reinigung, Wandel und Neubeginn
Die Zeit der Raunächte ist nicht nur eine ganz besondere Zeit voller Mystik, Magie und alter Bräuche, sondern sie eignet sich auch hervorragend als Einstieg für einen achtsameren und aufmerksameren Umgang mit sich selbst, seinen Wünschen und Bedürfnissen. Wer bewusst “inne hält“, zur Ruhe kommt und sich auf das Wesentliche besinnt, kann dabei nicht nur viel über sich selbst erfahren, sondern auch jede Menge Kraft und Energie für sein Leben tanken.
So wie die Natur sich alljährlich zu dieser Jahreszeit zurückzieht, um schon bald wieder in all ihrer Schönheit von Neuem zu erwachen, so können auch wir Menschen diese besondere Zeitqualität der Raunächte, die für Reinigung, Wandel und Neubeginn steht, als heilsame Auszeit für Körper, Geist und Seele nutzen, um wieder frisch gestärkt daraus hervorzugehen.
Überlieferungen zufolge beginnen im die 12 Raunächte im alpenländischen Raum, die auch als „Zeit zwischen der Zeit“ bezeichnet werden und wahrscheinlich keltische Wurzeln haben, am 25. Dezember und enden am Dreikönigstag (06. Jänner). Bei unseren frühen Vorfahren, die noch kein Weihnachtsfest kannten, war der Tag der Wintersonnenwende (21. Dezember) der Beginn der 12 Heiligen Nächte. In dieser Zeit haben die Menschen nur die nötigste Arbeit verrichtet. Es wurde gemeinsam gefeiert, Reinigungs- und Schutzrituale für Haus, Hof, Tier und Mensch durchgeführt, um diese vor bösen Geistern und Dämonen zu schützen, sie beschäftigten sich mit dem Orakeln, blickten in die Zukunft und widmeten sich mit all ihrem Sein, dem Abschließen des alten und dem Beginnen des neuen Jahres.
Altbewährtes neu gelebt
Immer mehr Menschen entscheiden sich heute dazu die Raunächte wieder ganz bewusst zu erleben und sie nutzen die alten überlieferten Traditionen, Bräuche und Rituale, um achtsamer zu werden und ganz bei sich selbst anzukommen. Wer sich mit der uralten Tradition verbindet und von der Magie dieser besonderen Zeit berühren lässt, der wird nicht nur viel Energie daraus schöpfen, sondern diese kraftvolle Möglichkeit, sein Leben neu zu gestalten, als wertvolles Geschenk für die Zukunft dankbar annehmen können.
RITUAL-TIPPS FÜR DIE RAUNÄCHTE
Reinigender, schützender Rauch
Unsere Ahnen haben großteils zum Schutz und zur Abwehr von Krankheiten und vor bösen Geistern oder Dämonen mit Wacholder, Weihrauch und geweihten Kräutern (Johannibuschen, Marian Himmelfahrts-Kräuterbuschen) geräuchert. In vielen ländlichen Gegenden wird diese Tradition auch heute in den Raunächten noch gelebt. In der heutigen Zeit wird das Räuchern mit seiner reinigenden und schützenden Wirkung u. a. verwendet, um negative Gedanken (die modernen Dämonen und Geister) und Belastendes loszulassen. Auch wenn nach einem Streit „dicke Luft“ im Raum ist oder wenn Menschen lange krank waren, kann mit desinfizierenden, reinigenden Kräutern (z. B. Salbei, Thymian, Beifuß, Wacholder) und Harzen wieder eine saubere Atmosphäre geschaffen werden.
Räucherritual für die Raunächte: Vor allem Wacholder eignet sich besonders gut, um sich vor schädlichen Einflüssen in den Raunächten zu schützen. Dazu einfach in einer feuerfesten Schale Kerzensand einfüllen und eine Räucherkohle entzünden. Wenn die Kohle ganz durchgeglüht ist Wacholder (desinfiziert), Weihrauch (starker atmosphärischer Reiniger) oder auch Engelwurz (transformiert alten Energien und Informationen, führt verstorbene Seelen ins Licht), Beifuß (öffnet das Herz) und Fichtenharz (keimtötend, wundheilend) auf die Glut legen. Mit dem emporsteigenden Rauch werden nun von unten nach oben alle Räume des Hauses/der Wohnung ausgeräuchert. Die reinigende, schützende Wirkung der Räucherung kann mit dem Segnungs-Spruch „Glück ins Haus, Unglück hinaus“ noch verstärkt werden. Nach der Räucherung sollten alle Räume gut gelüftet werden, damit der Rauch und alle ihm anhaftenden Energien entweichen können!
Die Zeit der Raunächte ist aber auch wunderbar geeignet, um neue Pläne zu schmieden, sich seine Herzenswünsche bewusst zu machen und für deren Verwirklichung neue Visionen und Lebenswege zu finden.
Orakeln – Wunscherfüllungs-Ritual
Das Orakeln und der damit verbundene Blick in die Zukunft war bei unseren Vorfahren ein beliebtes Ritual in den Raunächten. Beim Orakeln wurde mithilfe von Gegenständen wie z. B. Pflanzen, Steinen oder Bäumen versucht, die Zukunft zu deuten. Auch in unserer Zeit würden wir uns oft einen Blick in die Zukunft wünschen, um zu erfahren, welche Wünsche uns guttun bzw. welche Entscheidungen sich als segensreich und weise für die Entwicklung unseres ganz persönlichen Lebensplans erweisen.
Möglichkeiten zum Orakeln gibt es auch heute noch viele, ob Wachsgießen, Karten legen, Runensteine befragen oder Krafttiermedizin, die Magie des Lebens und die Antwort auf unsere Fragen steckt in vielen Dingen. Alles ist mit allem verbunden! Wenn wir uns dafür öffnen, dass es mehr als nur das Messbare und Erklärbare gibt, dann können wir Zugang zu dieser magischen Seite des Lebens erhalten. Du glaubst es nicht? Probiere es doch einfach einmal aus, die Raunächte bieten einen guten Einstieg dafür!
Text: Regina Jungmayr – Raunacht-Begleiterin, Schamanisch Praktizierende, Buchautorin, Gesundheitspädagogin, akademische Gesundheitsbildnerin